Adam Posen, Leiter des Peterson Institutes for International Economics: „Importierte Inflation aus den USA ist kein Problem für Europa“

16. September 2024 Interviews Comments (0) 155

(Capital+, 17.03.2021)

Der 55-Jährige leitet das Peterson Institute for International Economics in Washington, DC. Er forschte lange für die US-Notenbank Fed und war zeitweise auch Mitarbeiter der deutschen Bundesbank.

US-Präsident Biden hat ein 1,9 Billion-Konjunkturpaket erlassen. In den USA könnte die Inflation dadurch steigen. Für Europa sieht der Geldpolitik-Experte Adam Posen keine Gefahr von hohen Preissteigerungen

Capital: Das Biden-Paket ist durch den Senat gekommen. Wie stehen Sie als Finanzmarktexperte zu der Debatte, dass es eine Inflation auslösen wird?

ADAM POSEN: Wenn wir uns das endgültige Paket ansehen, stehe ich irgendwo zwischen meinen Kollegen Olivier Blanchard und Larry Summers auf der einen Seite und Paul Krugman auf der anderen.

Blanchard und Summers sagen, dass es zu groß ist und die Inflation steigen wird. Krugman sagt, sie wird nicht anziehen. Wo ist das Dazwischen?

Ich denke, Blanchard und Summers haben Recht mit der Ansicht, dass 1,9 Billionen Dollar zu viel sind. Es sind fast 10 Prozent des amerikanischen BIPs nach einem Hilfspaket von fast fünf Prozent des BIP im Dezember. Auch im vergangenen Frühjahr wurde schon ein Paket verabschiedet. Das kommt ja alles zusammen.

Warum sagen Sie, dass Sie sich zwischen den Positionen sehen?

Weil nicht das gesamte Paket überzogen ist und nicht so stark, wie es die Diskussion vermuten lässt. Ungefähr zwei Drittel der 1,9 Billionen Dollar sind gerechtfertigt, weil sie direkt in Impfstoffe, an staatliche und lokale Regierungen gehen oder in die Arbeitslosenvorsorge. Das Geld fließt also direkt in Ausgaben, die die Auswirkungen der Pandemie bekämpfen. Das ergibt Sinn.

Und der Rest?

Das restliche Drittel des Pakets, sind direkten Transfers an Einzelpersonen. Das macht mich nervöser, den Leuten einfach 2000 Dollar in bar zu geben. Das ist nicht ökonomisch, sondern politisch motiviert. Die Demokraten können nicht weniger tun als Präsident Trump und die Republikaner. Also geben sie nun 2000-Dollar-Schecks aus.

Warum könnten denn gerade diese Zahlungen eine Inflation auslösen?

Es sind nicht nur die Schecks. Dazu kommt das ganze Geld, das die Leute im letzten Jahr zur Seite gelegt haben. Denn wer nicht arbeitslos oder krank war, dem ging es wirtschaftlich gut. Ja den meisten Menschen ging es im letzten Jahr finanziell sogar sehr gut. Die Einkommen der Haushalte sind gestiegen. Wenn Sie irgendwelche Aktien besaßen, dann haben Sie auch an der Börse gewonnen. Die Ersparnisse der Haushalte haben sich im letzten Jahr effektiv verdreifacht. Sie stiegen von etwa viereinhalb Prozent des BIPs auf 13 Prozent.

Also stapelt sich all dieses Geld, trifft auf ein begrenztes Angebot in der Wirtschaft und löst eine höhere Inflation aus?

Das kommt darauf an. Die Frage ist, wie viel von diesem Geld tatsächlich ausgegeben wird und in welchem Zeitraum. Je mehr des Geldes an Menschen geht, die in großen Schwierigkeiten stecken, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es ausgeben. Doch wenn es an Leute geht, die es nicht unbedingt brauchen, werden sie es auch nicht ausgeben. Meine Vermutung ist, dass wahrscheinlich nur 40 Prozent der Gelder aus den Schecks ausgegeben werden.

Aber ist das genug, um eine Inflation auszulösen?

Naja, mit den anderen Teilen des Hilfspakets zusammen reden wir immer noch über eine Billion Dollar. Dann haben wir noch einige hundert Milliarden an Ersparnissen. Und selbst wenn die Leute etwas davon sparen, glaube ich, dass zwischen fünf und acht Prozent des BIP ausgegeben werden, in einem Zeitraum von 12 bis 18 Monaten. Das ist eine ganze Menge Geld.

Also stößt dieses ganze Geld auf ein Angebot, dass es nicht aufnehmen kann. Warum sollte es, wie Paul Krugman meint, keine Inflation auslösen?

Nun, wir unterschätzen immer noch die Produktionslücke.

Also das ungenutzte Produktionspotenzial eines Landes …

Genau. Und wenn das wieder aktiviert wird, dann gibt es erst einmal keine Inflation. Wir unterschätzen auch immer wieder die Menge an Menschen auf dem Arbeitsmarkt, die wieder arbeiten gehen werden. Das wirkt also der Inflation etwas entgegen.

Aber?

Aber auch wenn man das in Betracht zieht, klafft immer noch eine enorme Lücke zwischen den Ausgaben der Menschen und dem Potenzial der Wirtschaft es aufzunehmen.

Es kommt also zur Inflation, aber vielleicht nicht so hoch wie Ihre Kollegen schätzen. Wie hoch wird sie denn ausfallen?

Für das Jahr 2021 ist das schwer zu sagen. Aber für 2022 erwarte ich mehr als 3,5 Prozent in den USA.

Warum erst 2022?

Es ist sehr schwierig, in einem reichen Land wie den USA oder Deutschland eine anhaltende Inflation zu bekommen, wenn man keine steigenden Löhne hat. Bis die wieder steigen, wird es etwas dauern. Noch haben wir ja eine Menge Leute, die ihre Jobs verlieren, im Gastgewerbe, im Reisesektor, im Einzelhandel. Die werden dann ihren Arbeitsplatz wechseln müssen.

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