Der US-Ökonom Barry Eichengreen hält das Finanzsystem heute für stabiler als 2007 zur Finanzkrise. Dennoch werden die fatalen Fehler von Bankern bei der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse Folge haben, glaubt er
(Capital+, 22.03.2023)
Herr Eichengreen, zuerst half die Schweizer Zentralbank der Credit Suisse mit Milliardenkrediten aus, dann drängten die Schweizer Behörden die Konkurrentin UBS zur Übernahme der Bank. In den USA ging die Silicon Valley Bank innerhalb weniger Tage Konkurs. Auf viele wirkt das wie eine neue Bankenkrise. Wie konnte es so weit kommen?
BARRY EICHENGREEN: Lassen Sie mich mit der Silicon Valley Bank beginnen, der ersten großen Bank, die pleiteging – sie war der Kanarienvogel in der Kohlengrube, wenn Sie so wollen. Banken scheitern, wenn unvorsichtige Entscheidungen getroffen werden, wenn sich die finanziellen Bedingungen ändern und wenn Banken und Aufsichtsbehörden der Entwicklung hinterherhinken. Im Fall der SVB ist es wie in einem Agatha-Christie-Roman. Alle Verdächtigen sind schuldig. Aber vor allem die Banker.
Das müssen Sie erklären.
Sie wussten nicht, wo sie ihre Einlagen parken sollten, haben sich übermäßig mit langfristigen Anleihen eingedeckt und darauf gesetzt, dass die Zinsen niedrig bleiben würden. Normalerweise sind die Zinsen, die Banken auf langfristigen Anleihen bekommen, höher als die, die sie Kunden auf kurzfristige Einlagen zahlen. So verdient die Bank Geld.
… und jetzt sind die Zinsen gestiegen.
Ja, ich denke, der ökonomische Fachbegriff für das, was die SVB getan hat, ist Wahnsinn.
Wie konnten sie so wahnsinnig handeln?
Bei der Bank gab es einen Wechsel auf der wichtigen Position des Chief Risk Officer. Der Vorstandsvorsitzende der Bank hat offenbar von Hawaii aus gearbeitet. Die Art von intensiven Diskussionen über Risikoprofile, die man normalerweise in der Vorstandsetage führen würde, fanden deshalb nicht statt, weil sie in klassischer Silicon-Valley-Manier von zu Hause aus arbeiteten.
Und bei der Credit Suisse?
Die Credit Suisse versucht schon seit Jahren, ihr Rentabilitätsproblem in den Griff zu bekommen. Anders als die Silicon Valley Bank ging sie keine großen Wetten auf Staatsanleihen ein. Aber sie hat einige schlechte Kreditentscheidungen getroffen und war in eine Reihe von Skandalen verwickelt. Beide hatten ähnliches Pech. Das Scheitern der SVB war ein Weckruf für die Gläubiger der CS.
Wenn die beiden Fälle etwas gemeinsam haben, dann ist es das Pech mit ihren Hauptgläubigern. Im Fall der Silicon Valley Bank waren es einige große Risikokapitalgeber, die in Chatgruppen beschlossen, alle gleichzeitig ihr Geld abzuziehen. Im Fall der Credit Suisse wollte ihr großer saudischer Geldgeber wegen der aufsichtsrechtlichen Konsequenzen kein weiteres Geld investieren.
Sobald die Kunden der SVB erfuhren, dass die Bank gefährdet war, leerten sie ihre Konten. Die Kunden der Credit Suisse sollen in den letzten Tagen täglich 10 Mrd. Schweizer Franken abgezogen haben. Das erinnert viele an 2007/08. Ist die Situation ähnlich?
Sie erinnert die Menschen zumindest an die Ereignisse vor 16 Jahren und daran, dass Bankgeschäfte mit Risiken verbunden sind. Aber die Leute werden ihr Geld jetzt wahrscheinlich nicht von der Bank abheben und unter die Matratze legen. Ich glaube auch nicht, dass sie es abheben und in Kryptowährungen anlegen. Sie werden ihr Geld zu den Großbanken tragen.