Barry Eichengreen zur Bankenkrise: „Wie in einem Agatha-Christie-Roman – alle Verdächtigen sind schuldig“

17. September 2024 Interviews Comments (0) 167

Der US-Ökonom Barry Eichengreen hält das Finanzsystem heute für stabiler als 2007 zur Finanzkrise. Dennoch werden die fatalen Fehler von Bankern bei der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse Folge haben, glaubt er
(Capital+, 22.03.2023)

Herr Eichengreen, zuerst half die Schweizer Zentralbank der Credit Suisse mit Milliardenkrediten aus, dann drängten die Schweizer Behörden die Konkurrentin UBS zur Übernahme der Bank. In den USA ging die Silicon Valley Bank innerhalb weniger Tage Konkurs. Auf viele wirkt das wie eine neue Bankenkrise. Wie konnte es so weit kommen?

BARRY EICHENGREEN: Lassen Sie mich mit der Silicon Valley Bank beginnen, der ersten großen Bank, die pleiteging – sie war der Kanarienvogel in der Kohlengrube, wenn Sie so wollen. Banken scheitern, wenn unvorsichtige Entscheidungen getroffen werden, wenn sich die finanziellen Bedingungen ändern und wenn Banken und Aufsichtsbehörden der Entwicklung hinterherhinken. Im Fall der SVB ist es wie in einem Agatha-Christie-Roman. Alle Verdächtigen sind schuldig. Aber vor allem die Banker.

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Ulrike Malmendier: Wie die neue Wirtschaftsweise den Rat relevanter machen will

16. September 2024 Interviews Comments (0) 203

Ulrike Malmendier ist neu im Sachverständigenrat der sogenannten Wirtschaftsweisen. Sie will, dass der Rat aktiver in die Bundespolitik eingebunden wird. Wie das gehen soll, erklärt sie im Interview
(Capital+, 09.11.2022)

Capital: Frau Malmendier, Sie sind im September zum Sachverständigenrat gestoßen. Nun haben Sie zum ersten Mal am Jahresgutachten mitgearbeitet. War es so, wie Sie erwartet hatten?

ULRIKE MALMENDIER: Nein. Es war vielmehr wie das Arbeiten an Forschungspapieren, gar nicht so weit weg von der Wissenschaft. Das hat mir direkt gefallen.

Haben Sie denn den Eindruck, dass das, was Sie jetzt geschrieben haben, auch von den Politikern gelesen wird? Daran hatten Sie in der Vergangenheit öfter Ihre Zweifel geäußert.

Noch ist es zu früh, das zu sagen. Aber ich habe nach wie vor meine Zweifel. Ich glaube kaum, dass so ein langes Jahresgutachten von den relevanten Politikern und Mitarbeitern auf der obersten Ebene in den Ministerien komplett gelesen wird. Aber genau die wollen wir ja erreichen! Continue Reading

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LSE-Makroökonom Ricardo Reis: „Wir hätten eine Inflation von vier bis fünf Prozent haben können“

16. September 2024 Interviews Comments (0) 174

Ökonom Ricardo Reis ist Professor für Makroökonomie an der London School of Economics (LSE). Zuletzt machte er mit einem Aufsatz auf sich aufmerksam, in dem er vier Fehler aufzählt, die Zentralbanken seit dem vergangenen Jahr gemacht haben und die zur hohen Inflation beigetragen haben. Er ermahnte Zentralbanken schon im Sommer 2021, die Zinsen zu erhöhen. Im Interview verrät er, wie das die Inflation aufgehalten hätte – und was Zentralbanken jetzt noch tun können, damit die Teuerung nicht aus dem Ruder läuft

(Capital+, 06.09.2022, mit Stefan Schaaf)

Capital: Herr Reis, die Inflation in der Eurozone ist mit mehr als neun Prozent auf einem Rekordhoch. Wie schnell können wir wieder zur Normalität, also einer Inflation von um die zwei Prozent, zurückkehren?

RICARDO REIS: Sicher nicht in sechs Monaten. Vielleicht dauert es 18 Monate, vielleicht 24.

Wovon hängt das ab?

Vor allem davon, wie die EZB jetzt handelt. Sie muss schnell sein. Sie muss ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen und sie muss auf die gestiegenen Inflationserwartungen der Menschen mit höheren Zinsen reagieren. Bis die Inflation dann sinkt, dauert es aber etwas. Es wird also eine Phase mit hoher Inflation und hohen Zinsen geben, bevor die Inflation endlich zurückgeht. Das wird schmerzhaft sein. Wir können aber hoffen, dass die Energiepreise in den kommenden 24 Monate etwas fallen. Dann sind wir vielleicht bald wieder in einer Welt, in der wir eine Inflation von zwei Prozent haben, vielleicht sogar weniger. Continue Reading

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Minouche Shafik, damals Direktorin der London School of Economics: „Das Fundament bröckelt”

16. September 2024 Interviews Comments (0) 163

(Stern 08/2022, mit Stefan Schmitz)

Stern: Frau Shafik, wie haben Sie die Pandemie als Direktorin der London School of Economics erlebt?

Minouche Shafik: Wir konnten uns aufeinander verlassen in unserem Mikrokosmos. Alle trugen ihre Masken. Wer an der Uni war, hat sichdauernd testen lassen. Wer infiziert war, hat sich isoliert.

Ist das nicht etwas, das wir alle gelernt haben?

Teilweise schon. Aber im Großen konnten sich die Menschen nicht aufeinander verlassen. In den wohlhabenden Ländern der Welt sind die meisten Menschen geimpft, im Rest der Welt nicht. Wir waren nicht nur unsolidarisch, sondern haben auch noch ein perfektes Umfeld für die Verbreitung des Virus und die Entstehung neuer Varianten geschaffen. Die Pandemie ist das schlechteste Beispiel internationaler Zusammenarbeit, das ich in meiner Laufbahn erlebt habe.

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DIW-Makroökonomin Kerstin Bernoth: “Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung”

16. September 2024 Interviews Comments (0) 162

Die Ökonomin Kerstin Bernoth hält die Inflation für ein vorübergehendes Phänomen – wenn die Menschen nicht mit ihrer Angst dafür sorgen, dass sie weiter steigt
(Stern 44/2021)

Stern: Frau Bernoth, die Inflation ist derzeit auf einem Rekordstand. Warum ist das so?

Kerstin Bernoth: Der wichtigste Faktor sind die Energiepreise. Vergangenes Jahr sind sie stark eingebrochen. Jetzt haben sie sich erholt. Weil wir die Inflation berechnen, indem wir die Preise dieses Jahres mit denen des Vorjahres vergleichen, sorgt das Runter-und-Rauf dafür, dass die Inflation so hoch ist.

Wird das denn so weitergehen?

Wer mit Öl und Gas handelt, setzt für 2022 auf gleichbleibende Preise. Das würde für eine geringere Inflation sprechen . Continue Reading

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Adam Posen, Leiter des Peterson Institutes for International Economics: „Importierte Inflation aus den USA ist kein Problem für Europa“

16. September 2024 Interviews Comments (0) 154

(Capital+, 17.03.2021)

Der 55-Jährige leitet das Peterson Institute for International Economics in Washington, DC. Er forschte lange für die US-Notenbank Fed und war zeitweise auch Mitarbeiter der deutschen Bundesbank.

US-Präsident Biden hat ein 1,9 Billion-Konjunkturpaket erlassen. In den USA könnte die Inflation dadurch steigen. Für Europa sieht der Geldpolitik-Experte Adam Posen keine Gefahr von hohen Preissteigerungen

Capital: Das Biden-Paket ist durch den Senat gekommen. Wie stehen Sie als Finanzmarktexperte zu der Debatte, dass es eine Inflation auslösen wird?

ADAM POSEN: Wenn wir uns das endgültige Paket ansehen, stehe ich irgendwo zwischen meinen Kollegen Olivier Blanchard und Larry Summers auf der einen Seite und Paul Krugman auf der anderen.

Blanchard und Summers sagen, dass es zu groß ist und die Inflation steigen wird. Krugman sagt, sie wird nicht anziehen. Wo ist das Dazwischen?

Ich denke, Blanchard und Summers haben Recht mit der Ansicht, dass 1,9 Billionen Dollar zu viel sind. Es sind fast 10 Prozent des amerikanischen BIPs nach einem Hilfspaket von fast fünf Prozent des BIP im Dezember. Auch im vergangenen Frühjahr wurde schon ein Paket verabschiedet. Das kommt ja alles zusammen. Continue Reading

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MMT-Ökonomin Stephanie Kelton: „Sie können jeden Überbieten sogar Jeff Bezos“

16. September 2024 Interviews Comments (0) 167

Für die einen verbreitet Stephanie Kelton einen katastrophalen Irrglauben, für die anderen ist sie eine Erlöserin: Die US-Ökonomin sagt, Staaten mit eigenen Währungen könnten unbegrenzt Schulden machen. In den USA ist ihre Zeit jetzt gekommen
(Capital 12/2020, mit Timo Pache)

Stephanie Kelton ist es noch zu früh, um zu jubeln. Als sie sich am Donnerstagnachmittag nach der Präsidentschaftswahl zum Capital-Interview in die Zoom-Konferenz schaltet, sieht es zwar schon ziemlich gut aus für den demokratischen Kandidaten Joe Biden. Doch noch werden viele Stimmzettel ausgezählt, die Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress sind völlig ungewiss und damit auch die Frage, was ein US-Präsident Joe Biden wird durchsetzen können. Immerhin, die richtige Lektüre für den neuen Präsidenten hat sie bereits zurechtgerückt: Hinter ihrem Rücken im Bücherregal steht ihr eigener Bestseller „The Deficit Myth“.

CAPITAL: Frau Kelton, Joe Biden schickt sich an, der nächste Präsident der USA zu sein. Was erwarten Sie von seiner Wirtschaftspolitik?

STEPHANIE KELTON: Noch ist das schwer zu sagen. Der Präsident selbst kann ja ohne den Kongress keine Ausgaben beschließen. Aber wenn die Demokraten im Senat und im Repräsentantenhaus eine Mehrheit bekommen, dann erwarte ich ein sehr ehrgeiziges Hilfspaket von mehreren Billionen Dollar: Unterstützung für Einkommensausfälle in der Corona-Krise, Investitionen in die Infrastruktur, höhere Ausgaben für Bildung und den Klimaschutz. Das alles ist ja Teil von Bidens Programm.

Da ist es ja gut, dass sich die US-Regierung gerade auch dank der Zentralbank Fed so günstig verschulden kann wie nie, oder?

Nein, tut mir leid. Jetzt machen Sie schon den ersten Fehler. Continue Reading

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Nobelpreisträger Duflo & Banerjee zum Kampf gegen Armut: „Es gibt keine Wunder­­waffe“

16. September 2024 Interviews, Uncategorized Comments (0) 159

Vor einem Jahr erhielten Esther Duflo und Abhijit Banerjee für ihre Forschung über die Armut den Wirtschaftsnobelpreis. Heute sind ihre Thesen gefragt wie nie: Sie erklären, wie das Virus die ärmsten Länder trifft – und wie es unsere Sicht auf den Staat verändert
(Capital.de, 16.10.2020, mit Horst von Buttlar)

Abhijit Banerjee und Esther Duflo lehren an der US-Elitehochschule MIT und arbeiten dort seit bald 20 Jahren gemeinsam in der Armutsforschung. Duflo ist ge­borene Französin, Banerjee Inder, beide haben heute auch die US-Staatsbürgerschaft. Schon vor dem Nobelpreis 2019 zählte das Duo zu den einflussreichsten Ökonomen weltweit.

CAPITAL: Frau Duflo, Herr Banerjee, Sie sind für Ihre Arbeit im Kampf gegen die Armut bekannt, dafür haben Sie 2019 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Welche Folgen hat die Pandemie für diesen Kampf?

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Nobelpreisträger Robert Shiller: “Wir werden mehr Kameradschaft erleben”

16. September 2024 Interviews Comments (0) 146

Robert Shiller, der große Prophet von Wirtschaftskrisen, fordert eine Revolution im ökonomischen Denken: Narrative breiten sich aus wie ein Virus und beeinflussen unser Handeln. Eine These, die fast wie bestellt kommt. Ein Gespräch
(Capital 05/2020, mit Horst von Buttlar)

Der Ökonom Robert Shiller lehrt an der Yale-Universität in den USA. Er warnte sowohl vor dem Platzen der Dotcom-Blase als auch vor überbewerteten US- Immobilien. 2013 erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis. Heute spricht er mit Capital über die Wirtschaftskrise, der wir nun alle ins Auge blicken müssen.

Herr Shiller, in Ihrem Buch verwenden Sie ein epidemiologisches Modell, um die Verbreitung von Narrativen und die Folgen für die Wirtschaft zu beschreiben. Sie schreiben: Ein Narrativ kann sich wie ein Virus ausbreiten. Pünktlich zum Erscheinen des Buches haben wir ein reales Virus.

ROBERT SHILLER: Das ist schon ironisch. Ich hatte wie alle keine Ahnung, dass diese Pandemie kommen würde. Aber ich denke, wir können uns nun klarmachen, dass auch Rezessionen wie Epidemien entstehen.

Nur diesmal reagiert die Weltwirtschaft auf eine Epidemie.

Diese Krise ist eine echte Krise. Sie ist anders als die meisten Wirtschaftskrisen. Sie kommt aus der Biologie. Das Wichtigste ist es, eine Krankheit zu bekämpfen. Deshalb verbieten wir große Treffen, verhängen Ausgangssperren und stellen Menschen unter Quarantäne. Das Problem ist, dass das schon zu einer Wirtschaftskrise führt – und zu einem Narrativ von Angst und Chaos, das die Krise dann noch verstärkt. Continue Reading

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